Behandlungsspektrum
Beratung und Therapie
Nacken- und Rückenschmerzen, insbesondere nach stärkerer Belastung auftretend, sind meist nicht durch schwerwiegende Veränderungen der Wirbelsäule oder eine Kompression von Nerven bedingt. Diagnostisch wesentlich sind eine detaillierte Anamnese, eine gründliche und gezielte körperliche Untersuchung und eine kritische Einordnung der bildgebenden Befunde. Gerade bei chronischen Schmerzen sind Ursachenkombinationen häufig: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit entzündlichen Anteilen der Wirbelgelenke in Kombination mit muskulären Verspannungen und daraus resultierenden belastungsabhängigen und fortgeleiteten Schmerzen. Ziele der Behandlung sind eine effektive Schmerztherapie, z.B. mittels röntgengestützter Infiltrationstherapie (Facettenblockade, periradikuläre Therapie PRT) und Anleitungen zur Stabilisierung der Haltung und Normalisierung des Muskeltonus.
Rückenschmerzen, die ins Bein oder in den Arm ausstrahlen, können auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen. Die Bandscheiben befinden sich zwischen den Wirbelkörpern der Rückenwirbel. Sie bestehen aus einer elastischen Hülle aus Knorpelfaser und einem gelartigen Kern (Nucleus pulposus). Bei einem Bandscheibenvorfall tritt Bandscheibengewebe zwischen den Wirbelkörpern hervor. Dieses „vorgefallene“ Gewebe kann auf Nerven im Spinalkanal drücken, die Arme oder Beine versorgen (Ischiasschmerzen). Bei stärkerer Kompression der Nerven kann es zu Empfindungsstörungen (Kribbeln, Taubheitsgefühle) oder Lähmungen (z.B. eine Schwäche der Fußhebung, der Fuß „schlappt“) im betroffenen Bein oder Arm kommen. Aber: Nicht jeder Bandscheibenvorfall muss behandelt oder gar operiert werden. Kernspintomographische Studien bei älteren Erwachsenen zeigen, dass bei etwa einem Viertel der untersuchten Personen Bandscheibenschäden vorliegen, ohne Beschwerden auszulösen.
Die akute Behandlung von Bandscheibenvorfällen ist in der Regel konservativ: oral, intravenös oder gezielt im Bereich des betroffenen Nerven (röntgengestützte PRT) verabreichte Medikamente, meist in Kombination mit physikalischen Maßnahmen (Physiotherapie). Eine Operation ist geboten im Fall von durch die Nervenkompression bedingter Schwäche der betroffenen Extremität, kann aber auch bei chronischen und konservativ nicht ausreichend gebesserten Schmerzen sinnvoll sein. Die Entfernung des vorgefallenen Bandscheibengewebes geschieht mikrochirurgisch und minimal invasiv, d.h. über einen fokussierten und in der Regel nur wenige Zentimeter großen chirurgischen Zugangsweg wird der gedrückte Nerv unter maximaler Schonung von Knochen, Muskeln und Bändern der Wirbelsäule gezielt befreit.
Eine Spinalkanalstenose ist die häufigste Indikation für Wirbelsäulenoperationen in höherem Lebensalter. Ursachen sind degenerativ bedingte Bandscheibenvorwölbungen und im Laufe von Monaten und Jahren reaktiv entstandene Verdickungen angrenzender Bänder und Knochen, welche den Spinalkanal einengen und auf die Nerven und das Rückenmark drücken. Meist beginnen die Beschwerden schleichend mit Schmerzen im Nacken oder Kreuz, im Verlauf strahlen diese in die Arme oder Beine aus. Bei starker oder lang bestehender Kompression der Nerven können auch Gangunsicherheit, Gefühlsstörungen oder Lähmungen auftreten. Charakteristisch ist, dass die ausstrahlenden Schmerzen in der Regel bei Belastung zunehmen, so dass die Patientinnen und Patienten gezwungen sind, die Tätigkeit abzubrechen oder – am häufigsten der Fall – stehen zu bleiben oder sich zu setzen. Meist ist die Lendenwirbelsäule betroffen, gerade bei älteren Patientinnen und Patienten bestehen nicht selten Stenosen des Spinalkanals an mehreren Stellen.
Wenn noch keine Schwäche besteht, werden Spinalkanalstenosen meist konservativ mit Schmerzmedikamenten, gezielten Injektionen und Physiotherapie behandelt. Wenn die Beschwerden weiterbestehen oder gar fortschreiten, sollte eine Operation zur Befreiung der Nerven und des Rückenmarks besprochen werden. Die Operation erfolgt in Abhängigkeit von der Art der Stenose im Bereich der Halswirbelsäule meist von vorne, bzw. im Fall der häufiger betroffenen Lendenwirbelsäule vom Rücken aus. Im Bereich der Lendenwirbelsäule kann die mikrochirurgische, d.h. minimal invasiv unter dem OP-Mikroskop durchgeführte, beidseitige Erweiterung des eingeengten Spinalkanals meist über einen einseitigen chirurgischen Zugangsweg über einen wenige Zentimeter langen Hautschnitt erfolgen. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet dies in den allermeisten Fällen eine deutliche Besserung der Schmerzen und vor allem der Steh- und Gehdauer bei akzeptablem operativem Risiko. Die Entlassung aus der Klinik ist meist bereits nach wenigen Tagen möglich, dies gilt auch für ältere Patientinnen und Patienten über 65 Jahre in operablem Allgemeinzustand.
Tumore im Spinalkanal wie Meningeome oder Neurinome (Schwannome) sind weit überwiegend gutartig und wachsen langsam, so dass sich die Symptomatik zumeist schleichend entwickelt und die Diagnosestellung häufig erst spät erfolgt. Durch die tumorbedingte Kompression der Nerven oder des Rückenmarks können Schmerzen, Sensibilitäts- und Koordinationsbeeinträchtigungen, Störungen der Blasen- und Darmentleerung, Lähmungen und, z.B. im Falle einer Lokalisation im Bereich der oberen HWS, letztlich auch lebensbedrohliche Störungen entstehen. Die optimale Behandlung der meisten Tumore im Spinalkanal ist die mikrochirurgische Entfernung; die vollständige Resektion stellt deutlich überwiegend eine dauerhafte Heilung dar. Die weitaus meisten Tumorentfernungen erfolgen in Bauchlage über einen dorsalen chirurgischen Zugang. Während der Operation werden die Funktionen des Rückenmarks und der Nerven mittels intraoperativem elektrophysiologischem Neuromonitoring (IONM) überwacht, um Belastungen oder Funktionsbeeinträchtigungen von Nerven während der Operation unmittelbar zu detektieren, so dass das operative Vorgehen angepasst werden kann – Ziel ist immer eine möglichst vollständige Tumorentfernung unter maximaler Schonung der Nerven. Die Häufigkeit operationsbedingter neurologischer Defizite ist sehr gering, mehr als 90% der operierten Patientinnen und Patienten erfahren postoperativ eine deutliche Besserung oder Rückbildung der Symptome.
Die Häufigkeit von Infektionen im Bereich der Wirbelsäule (Spondylodiszitis) nimmt weltweit zu. Gründe sind unter anderen ein steigendes Durchschnittsalter, Erkrankungen, die mit einer Beeinträchtigung der Immunabwehr einhergehen (z.B. Diabetes, immunsupprimierende Behandlungen wie Chemo- oder Cortisontherapie, Adipositas) und vorhergegangene invasive Behandlungen oder Operationen. Der Nachweis des ursächlichen Erregers und die Bestimmung seiner Antibiotikaempfindlichkeit sind die Voraussetzung für eine gezielte Antibiotikatherapie, die eine der Grundsäulen der Therapie der Spondylodiszitis darstellt. Das konservative Vorgehen ist indiziert, wenn keine neurologischen Ausfälle vorliegen, die Entzündung nicht in den Körper streut und im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt keine Instabilität vorliegt. Indikationen zur Operation mit möglichst weitgehender Entfernung des entzündlichen Gewebes und gegebenenfalls Stabilisierung des Wirbelsäulenabschnitts sind neurologische Ausfälle, Destruktion des Wirbelkörpers mit resultierender Instabilität, Sepsis oder konservativ nicht beherrschbare Schmerzen. Sowohl nach konservativer als auch nach operativer Therapie der Spondylodiszitis verbleiben häufig Restbeschwerden, die auf Wirbeldestruktionen, Fehlstellungen oder eine chronische Reizung der betroffenen Nerven (Neuropathie) zurückgeführt werden können.
Die Spondylolisthesis (eingedeutscht Spondylolisthese) oder Wirbelgleiten bezeichnet die Verlagerung eines Wirbelköpers. Meist besteht eine Verdrehung oder ein Versatz nach vorne (Ventrolisthesis oder Anterolisthesis), im umgekehrten Fall spricht man von einer Retrolisthesis. Am häufigsten sind der vierte oder fünfte Lendenwirbel betroffen. Oftmals tritt die Spondylolisthese im Rahmen allgemeiner degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule auf und ist mit nur geringen Beschwerden verbunden. Je nach Ausmaß des Wirbelgleitens können aber auch das Rückenmark oder Nerven im Spinalkanal eingeklemmt oder gedehnt werden oder es bestehen ausgeprägte lokale Schmerzen als Folge der Instabilität im betroffenen Segment. Eine operative Therapie kann erwogen werden, wenn die Schmerzen konservativ nicht beherrscht werden können, das Wirbelgleiten deutlich zunimmt oder neurologische Defizite auftreten.
Ziel der Stabilisierungsoperation ist die Rückverlagerung und Fixation des Wirbelkörpers mittels einzubringender Schrauben, Stäbe oder Platten (Spondylodese). Ob eine Operation wirklich erforderlich ist, welches Verfahren in Betracht kommt und welche Langzeitfolgen auftreten können, ist Gegenstand ausführlicher Beratungen.
Bei einer Wirbelkörperfraktur handelt es sich um den Knochenbruch eines oder mehrerer Wirbelkörper. Ein Wirbelkörperbruch kann im Rahmen eines Unfalls entstehen, am häufigsten kommt die Wirbelkörperfraktur jedoch bei älteren Patientinnen und Patienten mit Osteoporose, auch nach einem Alltagstrauma wie einem häuslichen Sturz, vor. Durch den Verlust der Knochenmasse können Wirbel ohne große Krafteinwirkung in sich zusammenbrechen, diese Art der Fraktur wird auch als „Sinterungsbruch“ bezeichnet. Bei Betroffenheit mehrerer Wirbel können die Patientinnen und Patienten einen Buckel entwickeln, häufig sind Osteoporose und Frakturen mit chronischen Rückenschmerzen verbunden. Bei Sinterungsbrüchen handelt es sich in den meisten Fällen um stabile Brüche ohne wesentliche Achsfehlstellung der Wirbelsäule oder Beeinträchtigung des Rückenmarks oder der Nerven. In diesen Fällen wird konservativ mit Schmerzmedikamenten und dem temporären Tragen einer Orthese (Stützkorsett) behandelt. Kommt es als Folge der Fraktur zu einer deutlichen Fehlstellung oder insbesondere zu einer Kompression des Rückenmarks oder der Nerven, muss eine Operation und gegebenenfalls Stabilisierung des Wirbelsäulenabschnitts erwogen werden. Im Fall einer noch nicht knöchern verwachsenen Fraktur mit konservativ nicht beherrschbaren Schmerzen kann eine Kyphoplastie, ein minimalinvasives Verfahren zur Aufrichtung des eingebrochenen Wirbelkörpers mittels eines Ballons und anschließender Höhen-Stabilisierung durch das Einspritzen von Zement, besprochen werden. In jedem Fall ist eine röntgenologische Messung (Osteodensitometrie) zur Bestimmung der Knochendichte sinnvoll, um eine langfristige Therapie zur Verbesserung der Knochendichte einzuleiten, z.B. mittels Kalziumpräparaten oder Medikamenten zur Förderung der Kalziumaufnahme (Bisphosphonate).
Behandlungsverfahren
- Röntgengestützte Infiltrationstherapie (Facettenblockade, periradikuläre Therapie PRT)
- Mikrochirurgische und endoskopische Bandscheiben- und Dekompressionsoperationen
- Tumorresektion mit intraoperativem elektrophysiologischem Monitoring zur Überwachung der Funktion von Rückenmark und Nerven
- Spondylodese, Implantation von Bandscheibenprothesen